Montag, 3. Oktober 2011

Warten auf die Gäste



langsam weicht die sommerliche Lethargie einer kaum spürbaren Unruhe bei den Pflanzen in der Gärtnerei. Die Gewächse, die hier zwar nicht heimisch aber doch zuhause sind, spüren, dass der Herbst und damit der nächste Winter naht. Während die Menschen hier in München ihren Jahreskreislauf eher nach dem Oktoberfest auszurichten scheinen (Jahresende ist demnach gleich Wiesn Ende), geben sich die Pflanzen mit dem zufrieden, was ihnen das Wetter anbietet. Und eigentlich ist es ganz einfach. Das Wetter deutet auf Winter und die Gewächse ziehen sich zurück. Das machen sie mal mit jemandem, der mit Dirndl und Lederhose bewaffnet auf dem Weg zum teuer reservierten Wiesn Tisch in einem Bierzelt auf dem Oktoberfest ist. Diese Menschen kommen garnicht auf die Idee bei einem eventuell einsetzenden Schneeregenschauer zuhause zu bleiben um still und stumm den Winter zu erwarten. Um das Wetter zu erfahren, befragen wir die Meteorologen, die Pflanzen machen das noch selbst.

Und so gibt es seit Tagen hektisches Treiben in der Gärtnerei. Ich begleite jede einzelne der mediterranen Gewächse hier auf dem Gelände zu ihrem bevorzugten Winterplatz. Das ist vielleicht ein Getue! Da sind die Pflanzen nämlich auch nur Menschen und wehe, die Olive beispielsweise steht nicht an ihrem angestammten Platz! Sofort gibts gelbe Blätter und damit für den Gärtner die erste große Herausforderung für den kommenden Winter. Was will die Pflanze damit sagen? Was fehlt der Pflanze? Wie kann ich dem Gewächs Gutes tun? Dabei wollen die mich oft genug nur verarschen. Denen fehlt meist garnichts. Und nur um mich in Verlegenheit zu bringen, rollen die Einen die Blätter ein, die Anderen lassen sie ohne weitere Anzeichen der Schwäche fallen. Natürlich bevorzugt zu einer Zeit, wenn es an die Rücklieferung geht. Damit ich ja nur saublöd da stehe! Und kaum sind sie dann wieder zurück, melden ihre Besitzer, wie schön sich das Gewächs doch entwickelt.

Mit Pflanzen zu leben und vor allem zu arbeiten ist nicht leicht. Und mit Pflanzen, die lediglich ihren Winter hier verbringen ist es noch viel schwieriger. Sie kennen doch die Ansprüche von Touristen, oder? Sehen Sie, und da sind Pflanzen nicht anders. Bloß eben..... wie soll man sagen.... wortkarger vielleicht. Aber jedes Jahr eine neue Herausforderung. Und jetzt ist es wieder soweit. Die Gärtnerei Pflanzen stehen an ihren angestammten Plätzen und sind bereit, die Pflanzengäste zu begrüßen. Und ich mache mich wieder daran, die meisten der Pflanzen von zuhause abzuholen um sie in die Gärtnerei zu begleiten. Das könnte man vergleichen mit all den Bustouren, welche die vielen Menschen in den Süden zu den Heilbädern karren, damit diese sich dort möglichst allumfassend erholen können. Bloß welcher behandelnde Arzt oder gar Klinikchef begleitet die Kurgäste schon bei ihrer Anreise? Keiner natürlich. Deshalb dürften sich meine Wintergäste eigentlich sehr geehrt fühlen, wenn sie von mir persönlich abgeholt werden um sie in ihre Winterfreizeit für Kübelpflanzen zu begleiten. Ich freue mich jedenfalls schon auf eine neue Saison mit vielen mediterranen Gewächsen, kann endlich wieder meine Lederarbeitshose anziehen ohne gefragt zu werden ob ich "von der Wiesn komm" und bin schon neugierig, was die Pflanzen alles zu erzählen haben. Es ist zwar meist schwierig, das nicht gesprochene zu verstehen. Bei vielen Menschen ist es aber nicht anders.